Start Europa Alarmstufe Rot wegen Gasturbinen auf der Krim

Alarmstufe Rot wegen Gasturbinen auf der Krim

Bildquelle: Russisches Energieministerium

Im April 2017 blinkte im russischen Energieministerium die Alarmanzeige, weil leistungsstarke Gasturbinen für die zwei geplanten Kraftwerke auf der Halbinsel Krim in Sewastopol und Simferopol mit einer Gesamtleistung von 940 Megawatt auf sich warten ließen. Schließlich hatte Präsident Wladimir Putin nach dem großen Blackout auf der Krim im November 2015 versprochen, für eine zügige und ausreichende Energieversorgung zu sorgen. Im Juli 2017 berichtete die Nachrichtenagentur Reuters, dass sie von mehreren Projektbeteiligten sowie Quellen in Behörden erfahren habe, dass Siemens-Turbinen per Schiff von Taman auf die nur wenige Kilometer entfernte Krim gebracht wurden. Einem Insider zufolge sollen die Anlagen im Hafen von Sewastopol entladen worden sein. Die Installation werde vorbereitet. Spätestens jetzt schlugen nun auch beim deutschen Technologiekonzern Siemens die Alarmglocken an. Denn der Verstoß gegen Sanktionen, die Europa gegenüber Russland wegen der Krimkrise verhängte, steht im Raum.

Gasturbinen für Taman

Eine schriftliche Stellungnahme aus der Münchner Konzernzentrale stellte deswegen klar: „Siemens hat aus zuverlässigen Quellen Informationen erhalten, dass zumindest zwei der vier von uns für das Projekt Taman, Südrussland, gelieferten Gasturbinensätze gegen unseren Willen auf die Krim verbracht worden sind. Dieses Vorgehen stellt einen klaren Bruch der Lieferverträge mit Siemens dar, die unserem Kunden eine Lieferung auf die Krim zweifelsfrei verbieten.“ Bestellt und erhalten hat die Turbinen die Rostec-Tochter Technopromexport TPE von Siemens Gas Turbines Technologies LLC in Russland. Die staatliche Technikgesellschaft Rostec ist für die Errichtung der Kraftwerke auf der Krim zuständig und beauftragte mit dem Bau ein Unternehmen aus den eigenen Reihen, das ebenfalls unter dem Namen Technopromexport firmiert.

Klage am Moskauer Schiedsgericht

Im Frühjahr 2015 schloss Siemens mit TPE den Liefervertrag, in dem fixiert sei, dass die Turbinen nicht für den Einsatz auf der Krim vorgesehen sind, sagte ein Konzernsprecher. „Unser Kunde hatte uns in den letzten Monaten mehrfach schriftlich bestätigt, dass eine Verwendung auf der Krim weiterhin nicht geplant sei. Siemens wird daher Strafanzeige gegen die Verantwortlichen erstatten“, steht in der Stellungnahme am 10. Juli 2017. Am Folgetag reichte Siemens die Klage gegen TPE dann beim Moskauer Schiedsgericht ein, berichteten Medien. Sie richte sich auf die Einhaltung der Verträge. Vor allem will Siemens weitere Lieferungen auf die Krim unterbinden und setzt sich laut Stellungnahme dafür ein, bereits dorthin verbrachte Ausrüstung zum ursprünglich vertraglich vereinbarten Bestimmungsort, Taman, zurück zu bringen. Eine interne Task Force prüfe alle Einheiten und relevanten Partner in Russland, um zu verhindern, dass weder Ausrüstung verschifft, noch Dienstleistungen erbracht werden, die gegen Exportkontrollvorschriften verstoßen könnten. Weitere Konsequenzen schließt Siemens nicht aus.

Weitere Konsequenzen

Beim russischen Maschinenbauer Power Machines, der an Siemens Gas Turbine Technologies zu 35 Prozent beteiligte ist, gab es bereits Konsequenzen. Im Zug der Turbinenaffäre musste Generaldirektor Roman Fillipow seinen Hut nehmen, berichtete die russische Wirtschaftszeitung Kommersant am 20. Juli 2017. Da wegen der Sanktionen kein Direktkauf großer Gasturbinen für neue Kraftwerke auf der Krim möglich gewesen sei, seien die Siemens Turbinen umgerüstet und in TPE 180 umbenannt worden. In einer Stellungnahme am 21. Juli 2017 bestätigte Siemens nun, „dass alle vier für das Projekt Taman, Südrussland, im Sommer 2016 gelieferten Gasturbinen lokal modifiziert und rechtswidrig, entgegen klarer vertraglicher Vereinbarungen, auf die Krim verbracht worden sind.“ Dies stellt für den Technologiekonzern einen eklatanten Bruch der Lieferverträge, des Vertrauens und der EU-Regularien dar. Daher hält Siemens an seiner Strafanzeige gegen die Verantwortlichen von TPE fest und leitete an dieser Stelle vier konkrete Schritte ein:

„1. Siemens wird sich von seiner Minderheitsbeteiligung an Interautomatika trennen. Das russische Unternehmen bietet Produkte und Dienstleistungen für Steuerungs- und Kontrollsysteme in Kraftwerken an.
2. Siemens hat die Beendigung eines Lizenzabkommens mit russischen Unternehmen in Gang gesetzt, das die Lieferung von Ausrüstung für Kombikraftwerke betrifft.
3. Siemens wird bei bestehenden Verträgen mit staatlich kontrollierten Kunden in Russland die Lieferung von Kraftwerksausrüstung bis auf Weiteres stoppen. Währenddessen führt Siemens weitere Kontrollen ein, die über die gesetzlichen Anforderungen weit hinaus gehen. Dieser neue fortan geltende Kontrollmechanismus soll sicher stellen, dass potenzielle künftige Lieferungen erst dann erfolgen, wenn Siemens bestätigt hat, dass die Ausrüstung am vertraglich vereinbarten Endverbleibsort installiert werden kann. Das bedeutet, dass Siemens auch die Lieferung kontrolliert und die Installation am vereinbarten Endverbleibsort durch eigene Mitarbeiter vornimmt. Neue Verträge für Gaskraftwerksausrüstung in Russland werden ausschließlich von dem Siemens mehrheitlich gehörenden Joint Venture Siemens Gas Turbine Technologies und dem 100-prozentigen Siemens-Tochterunternehmen, OOO Siemens, Moskau, abgewickelt. Alle künftigen Verträge unterliegen dem neuen von nun an geltenden Kontrollmechanismus.
4. Zudem werden die zwei von Siemens in den IA-Aufsichtsrat entsandten Mitarbeiter mit sofortiger Wirkung ausgetauscht bzw. lassen ihr Amt ruhen, solange Siemens eine Untersuchung der in Frage stehenden Vorfälle durchführt.“

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