Die Gaswirtschaft muss und kann ihren Teil zur Dekarbonisierung bis 2050 beitragen. Ihre Transformation sei der Schlüssel zur Klimaneutralität. Das erklärten Detlef Fischer, Geschäftsführer des Verbandes der Bayerischen Elektrizitäts- und Wasserwirtschaft VBEW und Thomas Meerpohl, Vorsitzender im VBEW-Lenkungskreis Gaswirtschaft und Prokurist der Stadtwerke München in einem digitalen Pressegespräch am 13. August 2020.
Was beim Umbau der Gaswirtschaft in drei nächsten Jahrzehnten auf der Agenda steht, erläuterte Meerpohl anhand der Roadmap Gas, die der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) Anfang Juli 2020 herausgebracht hatte. Diese basiert auf einem sektorenübegreifenden Plan in drei Phasen, der die Transformation der Gaswirtschaft auf der gesamten Wertschöpfungskette umfasst.
Meerpohl hält die Roadmap für ein durchdachtes Konzept, das zeigt, dass „Gas Teil der Lösung und nicht das Problem ist.“ Schnelle Erfolge zur CO2-Minderung ließen sich bereits durch die Umstellung von Öl- auf Gasheizungen oder von Kohle- auf Gaskraftwerke erzielen. In mittelfristiger Perspektive könne das Erdgas durch klimaneutrale Gase wie Wasserstoff oder Biomethan ersetzt werden.
Technologien zur Dekarbonisierung bis 2050
Im Zentrum stehen Meerpohl zufolge drei technologische Dekarbonisierungspfade. So ließe sich etwa in der ersten Phase bis 2030 von den aktuell 9300 Biomethananlagen die Hälfte umrüsten, so dass sie in das gut ausgebaute Gasnetz einspeisen können. Zugleich müsse in dieser Phase der Einstieg in die grüne Wasserstoffproduktion mittels Elektrolyse im größeren Maßstab gelingen. Die Technik sei vorhanden, aber noch zu teuer.
Aber auch der Abscheidungspfad, sprich die Abscheidung von Kohlenstoff aus fossilem Erdgas, sei neben den Pfaden Biogas und grüner Wasserstoffproduktion für die sukzessive Umstellung des Systems nötig. Türkiser Wasserstoff etwa aus Russland sei nötig, um alle Sektoren Strom, Wärme, Verkehr und Industrie ausreichend mit klimaneutralen Gasen zu versorgen. „Wir werden an einer Importstrategie nicht vorbeikommen“, betonte Meerpohl. Zu groß sei der Bedarf an Primärenergie in Deutschland.
Eine technologieoffene Herangehensweise halten Meerpohl und Fischer für erforderlich, zumal Akzeptanzprobleme und Flächenkontingente den Ausbau an Erneuerbaren Energien begrenzen. Ein großes Plus sehen beide im ausgebauten Gasnetz, da sich über Gasleitungen zwanzigmal mehr Energie transportieren lasse als über Stromleitungen.
Was das Wasserstoffnetz angeht, verweist Meerpohl auf zunehmende Beimischungsquoten bei Gasverteilnetzen und die Umwidmung von Ferngasleitungen zu reinen Wasserstoffleitungen. Bis 2030 sei ein Wasserstoffstartnetz zu installieren, das bis 2050 schrittweise ausgebaut wird. Um die Umbaukosten in der Gaswirtschaft finanzieren zu können, müsse der Handel mit CO2-Zertifikaten sich auch auf andere Bereiche wie den Wärme- und Verkehrssektor erstrecken.