Start Erneuerbare Energien Deutschland braucht viel mehr Ökostromleistung

Deutschland braucht viel mehr Ökostromleistung

Quelle: BEE

Um die Klimaschutzziele bis 2030 im Rahmen der Lastenverteilung in Europa zu erreichen, benötigt Deutschland sehr viel mehr Ökostromleistung. Zu diesem Ergebnis kommt der Bundesverband Erneuerbare Energien BEE in seinem aktualisierten Szenario 2030 im April 2021.

„Um Klimaneutralität bis spätestens 2050 zu erreichen, sind die bisherigen Klimaschutzambitionen auf deutscher und europäischer Ebene nicht ausreichend“, ist im Szenario nachzulesen. Daher sei im Rahmen des Green Deals vorgesehen, das europäische Klimaschutzziel von bislang minus 40 Prozent bis 2030 gegenüber dem Referenzjahr 1990 deutlich zu erhöhen. Demnach schlug die EU-Kommission beim Impact  Assessment im September 2020 eine Emissionsminderung von 55 Prozent vor, und im Oktober 2020 sprach sich das EU-Parlament für eine THG-Reduktion um 60 Prozent bis 2030 gegenüber dem Jahr 1990 aus. Eine Einigung in den Trilogverhandlungen und der Beschluss des europäischen Klimaschutzgesetzes soll in den kommenden Monaten erfolgen.

Für Deutschland bedeutet bereits die Umsetzung einer europaweiten THG-Minderung von mindestens 55 Prozent unter der geltenden Regulation zur Lastenteilung eine Reduktion von 65 Prozent. Das THG-Minderungsziel von minus 55 Prozent im Zieljahr 2030 des Bundesklimaschutzgesetzes muss folglich angehoben werden. Das wirkt sich auf den Ausbau der erneuerbaren Energien aus.

„Die anstehenden Entscheidungen auf EU-Ebene müssen bereits jetzt für die Ausgestaltung und Umsetzung der Energiewende in Deutschland mitgedacht werden. Die Erneuerbaren Energien sind der Schlüssel für den europäischen und nationalen Klimaschutz und hierbei wesentlich der Stromsektor, dessen Bedeutung mit zunehmender Sektorkopplung weiter wächst“, sagt BEE-Präsidentin Dr. Simone Peter. Eine eine realistisch geschätzte Entwicklung des Bruttostrombedarfs und die Ausbauziele und -pfade für Erneuerbare Energien hält die BEE-Präsidentin daher für zentral.

77 Prozent Ökostrom

Dementsprechend berechnete der BEE im aktualisierten Szenario 2030, dass der Ökostromanteil an einem Bruttostrombedarf von gesamt 745 TWh im Jahr 2030 bei 77 Prozent liegen muss, um die Klimaziele zu erreichen. Zugleich ist eine deutliche Abnahme der fossilen Erzeugung von 329 TWh (2019) auf 169 TWh (2030) erforderlich. „Für den Bruttoendenergiebedarf bedeutet die THG-Minderung von 65 Prozent eine Steigerung der Nutzung Erneuerbarer Energien um den Faktor 2,4 von 455 TWh (2019) auf 1084 TWh (2030)“, so Peters mit Blick auf den gesamten Energiebedarf.

Wind Onshore und Photovoltaik weisen laut Szenario die größten Steigerungspotenziale auf. Gleichzeitig wird der Mix aller Erneuerbare-Energien-Technologien für einen zunehmend flexibler werdenden Strommarkt gebraucht. Bleibt dabei die Nutzung von Bioenergie, Geothermie und Wasserkraft über die Jahre konstant, sorgen Sektorkopplungstechnologien wie Grüner Wasserstoff für Wachstum.

Ausbau von Ökostromleistung beschleunigen

Angesichts des enormen Bedarfs an Ökostromleistung, fordert Peters die bereits für das erste Quartal angekündigte Anhebung der Ausbaupfade im Erneuerbare-Energien-Gesetz zeitnah vorzunehmen. So müssten sich etwa die Erzeugungskapzitäten von Solarstrom mit 49 Gigawatt 2019 auf über 200 Gigawatt bis 2030 vervierfachen. Daraus ergibt sich eine jährliche Zubautrate von 15 Gigawatt im Schnitt. Im letzten Jahr kamen nach Angaben des Bundesverbandes Solarwirtschaft BSW Solar in Deutschland rund 184.000 neue Solarstromanlagen mit einer Leistung von rund 4,9 Gigawatt hinzu. Im Vorjahr waren es 3,8 Gigawatt. Im Szenario geht der BEE von einer stufenweisen Erhöhung von 8 Gigawatt in diesem Jahr bis 20 Gigawatt in den Jahren 2029 und 2030 aus.

Matthias Zelinger, Geschäftsführer VDMA Power Systems und Leiter VDMA Competence Center Klima & Energie sagt: „Zwei Aspekte sind genauso wichtig wie die Detailzahlen: Erstens muss die Politik sich ehrlich machen und endlich mit realistischen Bedarfsszenarien rechnen. Zweitens muss nun der Fokus auf dem „Ermöglichen” liegen. Das gilt für Windenergie genauso wie für Wasserkraft und auch für thermische Kraftwerke mit erneuerbaren Brennstoffen. Für die tragende Säule Windenergie bedeutet das: Flächen bereitstellen, Genehmigungen vereinfachen und eine Balance finden zwischen Artenschutz vor Ort und Klimaschutz.“

Um die erforderlichen 95 Gigawatt Windenergie für Anlagen an Land im Jahr 2030 zu erreichen, sind laut Szenario über 40 Gigawatt nötig. So müssten im Jahr im Schnitt 2 Gigawatt hinzukommen. Im letzten Jahr kamen nach Zahlen des Bundesverbandes Windenergie lediglich 1.431 Megawatt oder 420 Onshore-Windenergieanlagen hinzu. Dies ist aus Sicht des Branchenverbandes deutlich zu wenig. Daher fordert der BWE, Maßnahmen für mehr Flächen und Genehmigungen zügiger umzusetzen. Für die Planung von Anlagen im Bayerischen Voralpenland bis zur Inbetriebnahme einer Anlage können schon einmal fünf Jahre vergehen, wenn Flächen knapp sind.

Sabine Nallinger, Vorständin der Stiftung 2° betont: „Unsere Unternehmen stehen nicht nur hinter der Energiewende, sondern sie brauchen die Erneuerbaren Energien schnell, verlässlich und zu wettbewerbsfähigen Preisen. Der beschleunigte Ausbau der Erneuerbaren Energien ist nicht nur der Schlüssel zur Erreichung der klimapolitischen Ziele, er ist Voraussetzung für das zentrale Modernisierungsprogramm des Industrie-Standorts Deutschland.“