Das neue Forschungsprojekt pebbles richtet sich auf Energiehandel und Netzdienste auf der Blockchain gleichermaßen. Das Konsortium aus AllgäuNetz, Fraunhofer FIT, Hochschule Kempten, Siemens AG und Allgäuer Überlandwerk gab den Startschuss für das Projekt Mitte Juni 2018. Es schließt sich auf die erfolgreiche Durchführung der Vorgängerprojekte IRENE und IREN2 an und ist für alle Projektbeteiligten ein logischer Schritt. Das neue Projekt setzt sich, aufbauend auf den Erkenntnissen über ein innovatives Management erneuerbarer Energien im Verteilnetz, mit dem regionalen bzw. lokalen Handel von Energie auf Verteilnetzebene auseinander.
Regionale Energiehandelsplattform
Ziel des Forschungsprojekts pebbles, das das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie im Rahmen des Förderprogramms Smart Service Welt II fördert, sei die Entwicklung einer regionalen Energiehandelsplattform und der Aufbau eines Demonstrators im Netzgebiet der AllgäuNetz GmbH & Co.KG, informierte AÜW und erläuterte dazu: „Die Entwicklung und Untersuchung von plattformbasierten Geschäftsmodellen samt komplementären Cloud-Services stehen dabei im Mittelpunkt. Das Projekt hat eine Laufzeit von drei Jahren. Weiter sollen die Implikationen für und Synergieeffekte mit einer aktiven Verteilnetzbetriebsführung erforscht werden.“
Smart Contacts als Grundlage
Verantwortlich für die informationstechnische Umsetzung der Handelsplattform ist als Technologielieferant der Technologie Konzern Siemens. Siemens soll ebenso eine Reihe von Cloud-Services, z.B. ein Cloud-basiertes Energiemanagementsystem, entwickeln. Auf der Handelsplattform sollen private Haushalte oder Handwerksbetriebe wie Bäckereien Energie miteinander handeln und Flexibilität anbieten können. Die entstehenden Verbindlichkeiten zwischen den Teilnehmern werden mittels intelligenter Verträge, Smart Contacts, auf Basis der Blockchain-Technologie abgebildet. „Durch den Einsatz dieser Technologie können einer Kilowattstunde erstmals klare, individuelle Merkmale zugeordnet werden und so Strom, der lange Zeit als Paradebeispiel für ein homogenes Gut galt, zu einem heterogenen Produkt machen“, so AÜW hierzu.
Virtuelle Teilnehmer
Um mehr Liquidität für den Demonstrator bereitzustellen, soll Fraunhofer FIT virtuelle Marktteilnehmer simulieren und zusammen mit der Hochschule Kempten die wissenschaftliche Verwertung der Projektergebnisse für Forschung und Lehre gewährleisten. Das Konsortium kann außerdem auf bereits bestehende Infrastruktur wie den Energiecampus Wildpoldsried aus den Projekten IRENE, DeCAS und IREN2 zurückgreifen, der u.a. eine große Last, eine Erzeugungsanlage, einen Speicher oder auch einen Prosumer-Haushalt nachbilden kann. Die Plattform zu betreiben und darauf ein innovatives und zukunftsfähiges Geschäftsmodell zu entwickeln, ist Aufgabe von AÜW. Über das virtuelle Kraftwerk von AÜW erhält dieser lokale Handelsmarkt auch Zugang zu zentralen Vermarktungsoptionen wie der Strombörse mit dem Ziel, Angebot und Nachfrage stets ausgleichen zu können.
Anreize für Netzdienste auf der Blockchain
Die AllgäuNetz GmbH und die Hochschule Kempten wollen den innovativen Betrieb des Verteilnetzes erforschen und dabei untersuchen, in welche neue, aktive Rolle der Verteilnetzbetreiber im Rahmen einer solchen regionalen Handelsplattform durch Einsatz moderner Komponenten und Systeme sowie intelligenter Betriebsführungsstrategien schlüpfen kann. Die neue informations- und kommunikationstechnische Infrastruktur im Netzgebiet eröffnet dem Verteilnetzbetreiber AllgäuNetz neue Möglichkeiten, sein Netz zu überwachen und den Netzbetrieb aktiv durchzuführen. Anreizbasierte Instrumente, wie etwa dynamische Netzentgelte, könnten bei den Teilnehmern der lokalen Handelsplattform netzdienliches Verhalten hervorrufen.
Rechtlicher Rahmen
Auch der rechtliche Rahmen steht im Projektfokus. Da das untersuchte Konzept mit der aktuellen (energie)rechtlichen Gesetzgebung nicht vereinbar ist, besteht nach Auffassung der Mitglieder im Konsortium der Bedarf nach der Formulierung passender, die Interessen aller Stakeholder berücksichtigender regulatorischer Rahmenbedingungen. „In Projekt pebbles wird der Einsatz der Blockchain-Technologie im deutschen Energiesektor erstmals ganzheitlich, d.h. aus den Blickwinkeln aller relevanten Stakeholder, auf allen physischen und informationstechnischen Ebenen betrachtet. Die Möglichkeit, sowohl Handelsgeschäfte als auch Netzdienste auf derselben Plattform abwickeln zu können macht das Projekt in Deutschland einzigartig“, unterstreicht AÜW.