Start Klima Von der Verkehrswende zur Fairkehrswende

Von der Verkehrswende zur Fairkehrswende

Quelle: Agora Verkehrswende

Agora Verkehrswende ruft die nächste Bundesregierung auf, eine Charta der Fairkehrswende zu erarbeiten, die sich auf Klimaneutralität und soziale Gerechtigkeit im Verkehr richtet. Das Politikpapier mit dem Titel Vier Jahre für die Fairkehrswende legte der Berliner Thinktank jetzt im September vor. Grundlage hierfür ist die Studie Klimaneutrales Deutschland 2045, in der Agora Verkehrswende zusammen mit den Thinktanks Agora Energiewende und Stiftung Klimaneutralität einen technisch und wirtschaftlich realisierbaren Zielpfad für alle Sektoren erarbeitet hat.

„Mit einer Charta der Fairkehrswende kann die neue Bundesregierung die dringend notwendige Zäsur in der Verkehrspolitik einleiten und dreifach Fairness in der Verkehrswende garantieren“, sagt Christian Hochfeld, Direktor von Agora Verkehrswende. „Fair, weil sie die Klimaziele im Verkehr effektiv erreicht und so gleichzeitig die Freiheit und die Mobilität kommender Generationen sichert; fair, weil sie die Ressourcen für die Transformation effizient einsetzt und die Kosten für alle dadurch möglichst niedrig hält; fair schließlich auch, weil sie die verbleibenden Kosten gerecht verteilt, soziale Schieflagen beseitigt oder vermeidet und damit eine breite gesellschaftliche Mehrheit für die Transformation gewinnen kann.“

Vier Hebel

Um die Verkehrswende zum Erfolg zu führen, sind laut Politikpapier vor allem vier Hebel entscheidend:

  1. die Veränderung von Verkehrsverhalten auf Grundlage der Bepreisung von CO2-Emissionen zusammen mit der Stärkung klimafreundlicher Mobilitätsoptionen im Personen- und Güterverkehr,
  2. das Anstoßen von angebotsseitigen Innovationen durch niedrigere europäische CO2-Flottengrenzwerte,
  3. die Steigerung der Nachfrage nach emissionsarmen Fahrzeugen durch ein CO2-orientiertes Bonus-Malus-System als Kaufanreiz,
  4. der Aufbau der Infrastrukturen mithilfe von Beschlüssen auf Bundes- , Europa- und Kommunalebene, die für nachhaltige und elektrifizierte Verkehrsträger notwendig sind.

„Es gibt keine einfachen Universallösungen für einen klimaneutralen Verkehr in Deutschland. Seit 1990 scheitert die Politik an der Aufgabe, die Treibhausgasemissio-
nen im Verkehrssektor zu reduzieren. Ein schlüssiges Gesamtkonzept der Bundesregierung, wie der Verkehr bis 2045 klimaneutral werden soll, ist bisher nicht in Sicht“, so das Fazit im Politikpapier. Deswegen sei eine Charta der Fairverkehrswende geboten. Sie könne Orientierung und langfristig verbindliche Rahmenbedingungen für alle relevanten Akteure bieten.

Faire Preise und verschärfte Grenzwerte

Steigende CO2-Preis sollten laut Agora Verkehrswende mit der Abschaffung der EEG-Umlage und der Einführung eines einkommensunabhängigen Mobilitätsgeld anstelle der Pendlerpauschale einhergehen. Zudem müsse die Kfz-Steuer allein vom CO2-Ausstoß abhängig sein. Prämien für den Kauf emissionsarmer Fahrzeuge ließen sich über Aufschläge auf den Kaufpreis bei emissionsintensiven Fahrzeugen finanzieren. Für die verursachergerechte Finanzierung der Infrastrukturkosten soll mittelfristig eine von der Fahrleistung abhängige Straßennutzungsgebühr eingeführt werden.

Um die Elektrifizierung des Straßenverkehrs schnell genug voranzubringen, müsse der ordnungsrechtliche Ansatz, etwa über die europäischen CO2-Flottengrenzwerte hinzu kommen. Daher plädiert Agora Verkehrswende für eine deutliche Verschärfung der Grenzwerte bis 2030 auf bis zu minus 75 Prozent, kombiniert mit mehreren Zwischenschritten und einer Senkung auf null bis spätestens 2035. Das würde europaweit das Ende für den Verkauf von neuen Verbrennerfahrzeugen bedeuten. Gleichzeitig müsse die Bundesregierung den Ausbau der Ladeinfrastruktur mit einem Masterplan vorantreiben und auf EU-Ebene für hohe Mindestanforderungen eintreten.

Mehr Spielraum für Kommunen

Der Bundesregierung müsse sich auf EU-Ebene für klimapolitisch ambitionierte Lösungen einzusetzen. Damit dementsprechende übergreifende europäischen Regelungen greifen, seien nationale Instrumente und starke Kommunen wichtig. Denn um vor Ort Mobilitäts- und Raumkonzepte im Sinne der Verkehrswende anzugehen, brauchen zum Beispiel mehr Handlungsspielraum. Deshalb müsse der Bund den Klimaschutz und gemeinwohlorientierte Ziele wie Sicherheit, Gesundheit und nachhaltigen Städtebau im Straßenverkehrsrecht verankern. Das biete Kommunen die Grundlage, zum Beispiel flächendeckend Tempo 30 einzuführen, Unfallschwerpunkte umzubauen, Parkraumbewirtschaftung auszuweiten oder Begegnungszonen und Radwege einzurichten. Zusätzlich solle der Bund die Kommunen beim Ausbau ihrer Personalkapazitäten für Aufgaben des Klimaschutzes im Verkehr unterstützen und das System für die Vergabe von Fördermitteln an die Kommunen vereinfachen.

Verkehrsverlagerung

Zu den weiteren Instrumenten zählen die Stärkung des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs. Nötig sei da vor allem der Ausbau, die Optimierung und Digitalisierung der Infrastruktur und ein verbessertes Angebot durch besser aufeinander abgestimmte Fahrpläne (Deutschlandtakt). Für die Planung von Straßen und Schienenwegen im Rahmen des Bundesverkehrswegeplans sieht das Politikpapier einen Klimastresstest vor, um damit Bauprojekte nach Klimaschutzkriterien neu bewerten und priorisieren zu können. Im Güterverkehr sei die Schiene zu stärken und die Kopplung von Straßen- und Schienentransporten zu verbessern. Der Lkw-Verkehr sei schnell zu elektrifizieren. Für Fernstrecken sollten neben der Batterie auch Oberleitungen und Brennstoffzellen als Antrieb umfangreicher als bisher erprobt werden.

Entscheidend für den Erfolg bei der Fairkehrswende sei, die einzelnen Instrumente gut aufeinander abzustimmen und so eine effektive, effiziente und sozial ausgewogene Entwicklung zu ermöglichen: „Allheilmittel gibt es nicht“, betont Christian Hochfeld. „Dass Fördermittel allein es nicht richten werden, hat das Ende 2019 verabschiedete Klimaschutzprogramm der Bundesregierung bewiesen. Investitionen in den öffentlichen Verkehr werden sich nur auszahlen, wenn dem Auto die Kosten angerechnet werden, die es gesellschaftlich verursacht. Eine Charta der Fairkehrswende kann mit einem breiten Mix von Politikinstrumenten die nötige Neuorientierung bieten und verlässlichere Rahmenbedingungen setzen.“