Im Zug der Corona-Pandemie ständen die Ziele der Energiewende auf der Kippe, warnen die Stadtwerke Werke München SWM jetzt im März. Die Pandemie wirke sich auf den Alltag aller Menschen, auf Handel, Industrie und auch Bildung aus. Bei den meisten Baumaßnahmen der SWM ließen sich durch Puffer und kurzfristige Umplanungen mögliche Verzögerungen weitgehend auffangen. Im Kraftwerks- und Anlagenbau seien die Auswirkungen allerdings zum Teil erheblich zu spüren.
So gerieten pandemiebedingt langfristige Zeitpläne ins Rutschen. Dadurch drohe mehreren Projekten, Fördergelder zu verlieren. Finanzielle Einbußen durch Corona zusammen mit möglicherweise gekürzten oder ganz entfallenden Fördermitteln könnten eine weitere zeitliche Streckung der Projekte mit sich bringen. Somit kämen die Klimaziele der SWM und die der Landeshauptstadt München in Gefahr. Solch ein Szenario sehen die SWM nicht nur in München, sondern deutschlandweit, so dass ebenso die deutschen und europäischen Klimaziele im Feuer stehen.
Umbau des Energiestandorts Süd verzögert sich
In München verzögere sich derzeit der Umbau des Energiestandorts Süd an der Schäftlarnstraße. Das Heizkraftwerk (HKW) Süd ist Münchens ältester konventioneller Erzeugungsstandort. Im Jahr 2016 startete hier die umfangreiche Standortentwicklung, um für die Herausforderungen der modernen Energiewelt gerüstet zu sein. Aktuell modernisieren die SWM hier zwei Gas- und Dampfturbinenanlagen (GuD). Darüber hinaus befinden sich Anlagen wie die größte Geothermieanlage Deutschlands, ein Energiespeicher (Heißwasserspeicher) sowie eine Fernkälteanlage, die mit Wärme aus Geothermie und den klimaschonenden Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen betrieben werden kann, im Bau.
Mehrkosten in Millionenhöhe
Wegen der Terminverschiebung für die GuD2 und der damit einhergehenden erheblichen Mehrkosten in Millionenhöhe, mussten die SWM Abläufe für alle anderen Projekte wie GuD1, GuD2 und der Kälteerzeugung optimiert bzw. beschleunigen. Die Kosten aus dem daraus resultierenden Effektivitätsverlust in den Bauabläufen könnten noch nicht beziffert werden. Aufgrund baustellenbedingter Vorgaben musste auch die Erstellung des Wärmespeichers verschoben werden.
Auftretende Coronafälle, Einreisebeschränkungen und Quarantänebestimmungen sowie den erforderlichen Hygienemaßnahmen behinderten zudem Einzelmaßnahmen, die unabhängig von den Verschiebungen durchgeführt werden konnten. Pandemiebedingte Einreiseverbote wie z. B. aus dem vereinigten Königreich brächten nach wie vor Behinderungen und weitere Verzögerungen. Besonders stark wirke sich das auf die Inbetriebnahme der neuen Geothermieanlage aus.
Helge-Uve Braun, Technischer SWM Geschäftsführer hofft daher: „Insbesondere vor dem Hintergrund auslaufender Förderprogramme für die Energieerzeugung ist zu hoffen, dass die Hygienemaßnahmen und eine schnelle Umsetzung der vorgesehenen Impfungen eine termingerechte Fertigstellung ermöglichen. Ansonsten ist zu erwarten, dass Termine nicht eingehalten werden können und der Corona-bedingte Schaden dadurch noch größer wird.“
Aufschub für Ziele der Energiewende
Gehen Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen nicht, wie geplant, vor dem Stichtag 31. Dezember 2022 in Betrieb, sind laut SWM fest einkalkulierte Entgelte für dezentrale Erzeugung (vermiedene Netznutzungsentgelte – vNNE) und für bereits in Betrieb genommene Fernwärmeleitungen über das KWKG in Gefahr, da sie an spezielle Fertigungsfristen gebunden sind. „Abhilfe könnte hier ein Aufschub für die Stichtagsregelungen um 12 Monate für nachweislich coronabedingt verzögerte Projekte leisten. Ein solches Moratorium ist europarechtlich unbedenklich und gleichzeitig klimapolitisch, energiepolitisch sowie ordnungspolitisch sinnvoll und geboten“, schlägt Braun daher vor.